Matthias Zwarg
Diese Bilder sind wie Rock ’n‘ Roll – rot schlägt die Gitarre in die Saiten, blau zupft der Bass im Rhythmus des Meeres, Ocker hält das Schlagzeug den Takt, über dem sich die Farben mischen zu einer oft lauten, manchmal aber auch leisen Melodie des Lebens. Die fällt ins Auge, ins Ohr, und sie wird nicht gespielt in der Kirche der Angst, sondern in der Kirche der Barmherzigkeit.
Sie heißt „Maria am Wasser“ und ist eine kleine Kirche an der Elbe bei Dresden. Benannt ist sie nach Maria, der Jungfrau der Barmherzigkeit.
Barmherzigkeit – das ist in gewisser Weise das Gegenteil von Gerechtigkeit; Barmherzigkeit liegt in der Gnade der Zuwendung, die wir der Welt und den Menschen zuteil werden lassen; Barmherzigkeit liegt auch in der Wohltat des Hinsehens, des miteinander Sprechens, des einander Zuhörens, des Verstehens und Verzeihens.
Barmherzigkeit hat viel mit der Malerei von Mandy Friedrich zu tun.
„Die Zeit, in der wir leben, ist ein Hohlraum, ein Hohlraum mit Funken zweifellos, aber doch ein Hohlraum, den die meisten auch als solchen empfinden, als ein Vakuum empfinden. Der schlichteste Ausdruck ist Langeweile. Der stärkste oder gewagteste Ausdruck wäre Verzweiflung …“
So beschrieb der Philosoph Ernst Bloch 1964 „unsere Zeit“ – lange vor unserer Zeit. Es ist eine Zeit ohne Utopien, mit nur noch wenigen lebendigen Menschheitsträumen. „Dieses Hellmachen des Vakuums mit Funken, das ist Aufgabe einer Philosophie der Hoffnung“, hatte Bloch das Gespräch über die „Hoffnung mit Trauerflor“ beendet – und dieses „Hellmachen des Vakuums mit Funken“, das ist auch die Aufgabe der Kunst – wenn sie denn überhaupt eine Aufgabe hat. Und es ist eine Aufgabe, die Kunst erfüllen kann, ohne dass es der Künstler will – sie kann es vielleicht sogar gegen seinen Willen.
Gegen den Willen von Mandy Friedrich muss die Kunst das wohl nicht. Ihre Bilder kommen über den Betrachter wie ein Banküberfall, dessen Beute an die Bedürftigen verteilt wird, wie ein warmes Sommergewitter, wie der Gruß eines uns völlig Unbekannten in der Straßenbahn.
Ihre Motive findet die Dresdner Malerin überall – zu Hause und unterwegs – und in ihren Bildern ist es, als ob sie überall daheim sei – eine Art Weltbürgertum, das aus einer Offenheit rührt, die längst nicht selbstverständlich ist im „globalen Dorf“.
In Mandy Friedrichs Bildern wirkt die Fremde warmherzig und vertraut – ob sie nun Georgien, Dresden, New York, ob sie den selbstverwalteten Freiraum an der Elbe oder das nächtliche Lichtermeer am Broadway oder eine Landschaft bei Zwickau malt – und nicht obwohl, sondern weil sie dabei die Eigenheiten der jeweiligen Stadt- oder Naturlandschaft, der Menschen, die ihr in ganz verschiedenen Situationen begegnet sind, einfängt. Da ist das sanft sich zu den Bergen aufschwingende Erzgebirgsvorland, dessen Farben mit den Jahreszeiten wechseln; da ist die Stadt New York, die niemals schläft, „einer der großen Irrtümer der Menschheit“, wie sie Heiner Müller nannte, das Labyrinth aus Beton, Asphalt, Leuchtreklamen, Hoffnung und Verzweiflung, das damit dennoch ein sehr menschlicher Ort ist. Oder die berührenden Porträts, in denen sich die unerträgliche Leichtigkeit und die genau so unerträgliche Schwere des Seins spiegelt, der bescheidene Stolz auf ein gelebtes Leben, das melancholische Selbstbewusstsein des Großstädters, die Entrücktheit der Musikerin, nah an der Grenze zur Verlorenheit, die Individualität des Freundes, die Verspieltheit der Kinder von Bekannten. Alles will, alles kann, alles darf gemalt werden, weil alles unserer Zuwendung wert ist.
In Mandy Friedrichs Bildern ist Leben, das schöne, schwere Leben. Und was Sasha, ein Exilrusse, in Nik Cohns wunderbarem Buch Das Herz der Welt in gebrochenem Englisch sagt über den „großen, weißen Weg“, wie der Broadway auch genannt wird: „Für alle, die hoffen, Broadway ist Straße von Verheißung, wo an Ende lockt Eldorado, das vielleicht nicht gibt“ – das gilt auch für die Bilder von Mandy Friedrich – allein die Neugier auf Leben, die Gnade der Zuwendung machen ihre Malerei zu Hoffnungsfunken.
Sie malt eine Welt in Bewegung, eine Welt, in der man nicht dulden, verzweifeln, aufgeben muss – auch wenn oder gerade weil es das alles gibt in der Welt. Aber ganz gleich, wie die Orte, die Straßen, Landschaften oder die Personen heißen – sie alle erscheinen in Mandy Friedrichs Bildern, als hätten sie noch eine Chance oder als hätten sie mindestens eine gehabt.
Ein besonderes Beispiel für die Hingabe der Künstlerin sind die Bilder aus der Reihe „Kinder der Vergangenheit“ zum Tagebuch einer Mädchen-Schulklasse aus dem Jahr 1928. Schlichte Aufzeichnungen über einen Ausflug ins Riesengebirge – kaum eine Ahnung, wer die Mädchen gewesen sind, was aus ihnen wurde; nur ein dünnes Dokument über eine glückliche Zeit zwischen den Kriegen – daraus wurde eine ganze Reihe von Gemälden, die die Erinnerung an jene Mädchen am Leben hält – ganz ungefragt, und deshalb umso notwendiger.
In einem Roman von Jonathan Safran Foer gibt es jene Episode: „Mein Schatz, Du hast mich gebeten, dir einen Brief zu schreiben, also schreibe ich dir einen Brief. Ich kenne weder den Grund noch weiß ich, was ich schreiben soll, aber ich schreibe ihn trotzdem, denn ich liebe dich sehr und vertraue darauf, dass du einen guten Grund hast, mich um diesen Brief zu bitten. Ich hoffe, dass du eines Tages die Erfahrung machen wirst, für einen geliebten Menschen etwas zu tun, das du nicht verstehst.“
Ähnlich ist es mit den Bildern von Mandy Friedrich: Es ist, als hätte sie jemand darum gebeten, sie zu malen – ohne Grund – und dieser „Jemand“ ist die Künstlerin selbst, und der Grund ist: weil sie das Leben und die Menschen liebt.
Mandy Friedrich hat in Dresden unter anderem bei Elke Hopfe und bei Siegfried Klotz studiert, und sie fand bald eine eigene Handschrift. Der Dresdener Schule schämt sie sich nicht – im Gegenteil: Mandy Friedrichs Kunst will erkennbar sein, sie erzählt mehr, als dass sie spielt und sich verspielt. Ihr geht es nicht um Stil, sondern um Haltung – malerisch und menschlich. Schnelle, intuitiv gesetzte Farbstriche, rau und ungeglättet, traumhaft sicher komponiert, ohne dass sich diese Komposition aufdrängt. Ihre Bilder berauschen sich an den Farben, am Tempo, an der festgehaltenen Bewegung, dem in seiner Vergänglichkeit gebannten Augenblick.
Was Mandy Friedrichs Bilder aber besonders auszeichnet, ist ihr untrüglicher Blick auf das vermeintlich Nebensächliche, Banale, Belanglose, Alltägliche, Unscheinbare: Ein Einkauf, das Schminken vor dem Spiegel, die stille Minute auf einer Bank im Park, krachende Rockmusik – diese Momente, da jemand an sich selbst verzweifelt oder mit sich selbst völlig im Reinen ist. Diese außergewöhnliche Gabe und Gnade der Zuwendung ist das Mindeste, was ein Mensch geben kann – aber oft ist es viel mehr als das Mindeste, ist es der Anfang aller Veränderung.
Insofern sind ihre Bilder wie Flugblätter – die kleine revolutionäre Momente des Glücks in uns schaffen können – die so etwas wie die kleinste Rache an der Welt sind, die uns einreden will, wir müssten hart, konkurrenzfähig, flexibel und profitabel sein – so wie all die anderen Flugblätter, denen wir tagtäglich begegnen – oft ohne sie zu bemerken.
Mandy Friedrichs Bilder erzählen mehr als sie zeigen. Sie öffnen eine Welt, mit der sich auch die Künstlerin selbst der Welt öffnet – und das gilt nicht nur für ihre Selbstbildnisse, mit denen sie sich immer wieder ihrer selbst versichert, sich selbst befragt und bezweifelt.
Diese Bilder kommen dem Traum des Franzosen Jean Ziegler von der Kunst sehr nahe:
„Was mein Traum ist? Die Musik, das Theater, die Poesie – kurz: die Kunst – transportieren die Menschen jenseits ihrer selbst. Die Kunst hat Waffen, welche der analytische Verstand nicht besitzt: Sie wühlt den Zuhörer, Zuschauer in seinem Innersten auf, durchdringt auch die dickste Betondecke des Egoismus, der Entfremdung und der Entfernung. Sie trifft den Menschen in seinem Innersten, bewegt in ihm ungeahnte Emotionen.“
Mandy Friedrichs Bilder können das, auch wenn sie es nie sagen würden.
In Mandy Friedrichs Bildern ist dieses Aufgewühltsein, dieses Betroffensein förmlich mit Händen zu greifen – zu sehen ist es jedenfalls; und manchmal klingt es wie Rock ´n‘ Roll. Und zu sehen ist in ihren Bildern auch: Am Ende werden wir alle froh sein, wenn unser Leben barmherzig und nicht nur gerecht beurteilt wird.
Matthias Zwarg, Kulturjournalist, Chemnitz, 2016
Wie im Himmel/ Kinder der Vergangenheit, 140 x 380 cm, 2012
Phil Shoenfelt
Es war das erste Mal, dass ich für einen Maler Porträt gesessen habe. Ich hatte mein Bild in New York vor vielen Jahren von dem Künstler Claus Castenskiold malen lassen, aber das basierte auf einem Foto und war daher nur im nachträglichen Sinne gemalt. Dies war das erste Mal, dass ich tatsächlich in einem Atelier sitzen würde und den Künstler bei der Arbeit beobachten könnte. In der Nacht davor hatte mich Mandy eingeladen für sie zu sitzen, nachdem sie das Konzert in Dresden besucht hatte, das ich mit meinem Geiger Pavel Cingl spielte. Ich muss zugeben, ich war überrascht. Niemand zuvor hatte mir bisher solch eine Frage gestellt, und meine Eitelkeit erlaubte mir, mich ein wenig geschmeichelt zu fühlen. Doch mein Hauptgedanke war, dass es eine interessante Erfahrung sein könnte, eine die es mir ermöglichen würde, mich selbst durch die Augen eines Fremden zu sehen, wie ihre Sicht zusammengeht mit meinem eigenen Selbstbild.
Eine gewisse Menge an Alkohol war während und nach diesem Konzert konsumiert worden, so dass, als Mandy mich am nächsten Morgen abholte, um mich zu ihrem Atelier zu fahren, ich ein bisschen benommen war. Der helle Sonnenschein half nicht. Es war eine Erleichterung, in die kühlen, schattigen Tiefen ihres Ateliers zu gehen. Die Wände waren bedeckt mit Porträts anderer Menschen aus anderen Zeiten, einige davon waren recht neu, andere älter. Mandy gab mir eine kurze Einführung, erklärte mir, wer die Charaktere in ihren Bildern waren, manchmal erzählte sie auch einen Bruchteil einer Geschichte, die dahinter stand. Nachdem sie mir eine Tasse schwarzen Kaffee anbot, setzte sie mich in einen bequemen Stuhl, wechselte dann in ihre Arbeitskleidung und begann mit einer groben Komposition des Bildes. Sie arbeitete rasch und rhythmisch, warf schnelle Blicke hinter ihrer Staffelei hervor in meine Richtung, während sie meine Gesichtszüge skizzierte. Ich fiel bald in eine Art Traum, einen tranceähnlichen Zustand, hervorgerufen durch zu viele Drinks, zu wenig Schlaf und der Notwendigkeit, aufrecht in der gleichen Position sitzen zu bleiben. Manchmal fühlte ich mich wie weggetragen, und durch halb geschlossene Augen konnte ich Mandy aggressiv an ihrer Arbeit sehen, so als ob ich sie mit großem Abstand von Raum und Zeit betrachten könnte. Hin und wieder schüttelte sie mit großer Ungeduld ihren Kopf, so als ob sie mit ihrer Interpretation meines Bildes auf der Leinwand Mühe hätte. Von Zeit zu Zeit schien sie Teile davon zu übermalen, und ich fing an, mich selbst zu fragen, ob ich das Bild, das sie malte, als schmeichelhaft, verstörend oder schmerzhaft ehrlich empfinden würde.
Als die Sonne schräg durch die hohen Fenster fiel, schien die Zeit seitlich in eine andere Dimension zu gleiten. Trotz alledem arbeitete Mandy weiter, manchmal sanft und präzise, dann schien es wieder als ob sie die Leinwand mit ihrem Pinsel attackieren wollte. Abermals fragte ich mich, was das Ergebnis all dieser hektischen Aktivität wohl sein würde. Manchmal trat sie einen Schritt zurück, um das Bild aus der Distanz zu betrachten, um es mit mir im Sessel sitzend aus zehn Meter Entfernung zu vergleichen. Doch dann wieder schüttelte sie mit Verärgerung ihren Kopf, trat an die Leinwand zurück, um etwas wegzuwischen oder ein bestimmtes Detail zu verändern. Schließlich schien sie dann aber doch zufrieden zu sein. Nicht zu hundert Prozent, aber doch zumindest so, als ob sie sich sicher wäre, dass sie alles getan hatte, was sie tun konnte, zumindest für den Moment. Als sie mir sagte, dass ich mich nun entspannen könne, die Sitzung jetzt vorbei sei, sah ich auf die Uhr und war erstaunt zu sehen, dass seit dem Beginn etwa 90 Minuten vergangen waren. In gewisser Weise erschien es viel länger, und auf andere Weise weitaus kürzer, als ob das ganze Erlebnis innerhalb eines Wimpernschlags stattgefunden hätte. Meine Zeitvorstellung schien leicht verzerrt zu sein, so als ob ich durch das falsche Ende eines Fernrohrs geschaut hätte. Obwohl mir Mandy erzählte, dass das Bild noch nicht zu ihrer vollen Zufriedenheit beendet sei, sagte sie, dass sie für jetzt aufhören würde, um zu einem späteren Zeitpunkt daran weiterzuarbeiten.
Wenn man mich nach meinem Eindruck von dem Bild selbst fragt: Gut, ich muss sagen, dass es mich schon gezeigt hat, aber in einer Art, die ich nicht erwartet hätte. Ich glaube nicht, dass eine realistische Wiedergabe beabsichtigt war. Es ist durchaus erkennbar, dass ein gewisses Quantum an subjektivem Expressionismus in ihrer Arbeit ist, welches ich wirklich interessant finde. Ich würde sagen, dass es eine ziemlich dunkle und in mancher Hinsicht verstörende Interpretation ist. Diese expressionistische Qualität war noch ausgeprägter in dem fertigen Bild, das Mandy mir einige Wochen später per E-Mail schickte. Darin sehe ich ein wenig dämonisch aus, wie die Art von Kerl, die man nicht in einer dunklen Gasse spät in der Nacht treffen will. Vielleicht ein Hafenarbeiter nach einer Kneipentour im Hafenviertel, vielleicht ein Trucker, vielleicht ein Zirkusartist außer Dienst. Wie dem auch sei, es ist definitiv mehr als nur eine Spur von Kriminalität um die Augen, etwas Gefährliches oder Bedrohliches. Aber es ist ein faszinierendes Bild, eines das nachdenklich macht, und es hat so etwas Elementares, sogar Archetypisches. Es beschert mir keine schlaflosen Nächte, aber es hat mir gewiss Anstoß zum Nachdenken gegeben, eine weitere Schicht hinzugefügt…
Phil Shoenfelt, Musiker, Prag, März 2009
Jürgen Szajny
„Ich will Malerin werden!“ Seit sie denken kann, trage sie dieses Gefühl in sich. Die Wendezeit und der damit verbundene politische Umschwung brachten Umwege zur Kunst mit sich. Daher arbeitete Mandy Friedrich zunächst in Gärtnereien, erlernte den Beruf der Floristin und ging anschließend auf die Fachoberschule für Gestaltung nach Plauen. Während dieser Zeit malte sie Landschaften, Porträts und Figurenbilder. 1999 begann sie an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden bei dem Maler Prof. Siegfried Klotz und der Grafikerin Prof. Elke Hopfe zu studieren. Mandy Friedrich wurde zur „Vollblutmalerin“. Als Meisterschülerin bei Prof. Ralf Kerbach begann sie sich mit den Themen Tanz, Musik und den dazugehörenden Interpreten zu beschäftigen. Die Malerin startete 2007 ihre freiberufliche künstlerische Tätigkeit. Im selben Jahr erhielt sie den Freiberger Kunstförderpreis. Mandy Friedrichs künstlerischer Gegenstand ist vor allem der Mensch, das Menschenbild, dem sie sich verpflichtet fühlt und es immer wieder darstellt. Die Malerin wählt vorwiegend Personen, die in ihrer Ausstrahlung für sie eine „unergründliche Tiefe“ erahnen lassen. Ein kleines Bild von 2002 lässt bereits vermuten in welche Richtung ihre Malerei gehen wird. Ein “Mädchen”, vielleicht die Künstlerin selbst, sitzt in sich versunken und eingebunden im Zentrum eines undefinierbaren Raumes. Blau-violette Farbflächen bilden um sie das kompositorische Gerüst. Das Rot der Haare und der gelbe Fleck der Sessellehne bilden einen spannungsreichen Farbkontrast. Das Werk scheint ein Geheimnis zu verbergen, ein Traum in Melancholie, Dramatik und verinnerlichter Sinnlichkeit.
Die danach entstandenen Bildnisse zeigen Persönlichkeiten, die ganzheitlich und bildfüllend einen festgehaltenen Moment spüren lassen. Es ist die Haltung der Dargestellten, ihr Posieren im illusionistischen Raum, die ihre Erscheinung und Charaktere offenbart. Sie hält dem Porträtierten einen Spiegel vor, der ihm und seinem Umfeld mitunter überraschende Aspekte offeriert. Mandy Friedrich malte sich mehrfach als Tanzende. Für sie ist Tanz ursprüngliches Leben, Entfesselung und Wildheit, rauschhaftes unmittelbares Umsetzen von Empfindungen, das zum sinnlichen Vergnügen jenseits des Verstandes führt. Musik gehörte schon immer zu ihrem Leben und so ist es nicht verwunderlich, dass sie sich auch künstlerisch davon inspirieren ließ, verschiedene Dresdener Bands kennenlernte und selbst mit ihrer früheren Kommilitonin die Band “Krapplack” gründete. In diesem Sinne entstand die Bilderreihe “Never too loud – Rockmusik”. In zahlreichen Bildern von 2006 und 2007 gab sie die erlebte hitzige Atmosphäre lautstarker Klänge, schweißgebadeter Musiker und das vielfarbige Licht der Bühnenscheinwerfer wider. Diese “wilden Bilder“ stehen zwar im Kontrast zu ihren “stillen Porträts“, aber auch sie lassen den Menschen in seiner visuellen Ausstrahlung, sein ureigenes Wesen erahnen, das man weder fassen noch beschreiben kann. Mandy Friedrich fasziniert die ursprüngliche Wildheit, die in allen Dingen liegt, im Menschen, in der Natur und im Tier. So tauchen auch Motive von verendeten Tieren, die vielleicht inspiriert oder in Anlehnung an Chaim Soutines “Tierkadaverbildern” entstanden, in ihrem Oeuvre auf. Darüber hinaus stellt sie undressierte Büffel, Lamas und Wölfe dar.
In ihren Landschaften findet die Suche nach Stille und nach durchlebten Stimmungen ihren Ausdruck. Sie sucht das bewegend Gewaltige in der Natur, die wolkendurchbrechende Sonne, stürmisch vorbeiziehende Wolken, den niedergehenden Regen, das Meeresstürmen, die unheimlichen Farben der Dunkelheit und die unendlichen Weiten der Landschaft. Mandy Friedrichs Malerei weckt manchesmal, wie eine Melodie, ein Duft oder ein Geschmack, Erinnerungen an ein längst vergangenes Erlebnis. Ihre Bilder zeigen eine ausgeprägte Vitalität und Dynamik. Sie entstehen in einem Akt der Spontanität, in einem Wechsel aus lasierendem und pastosem Farbauftrag. Die Körperlichkeit der Figuren scheint dabei aus der Farbmasse heraus geformt zu sein. Es sind expressiv niedergeschriebene und stimmungsbetonte Kompositionen, die rein von der Farbfläche leben, ohne lineare Begrenzung. Mit energischer Pinselschrift und nervös-städtischem Duktus malt sie in hoher Farbkultur und „sauberer“ Palette. Gespeicherte Naturerlebnisse und Sinneserfahrungen werden durch das expressiv-meditative Bearbeiten des Malgrundes zu einer künstlerischen Wirklichkeit – neben der realen.
„Den Künstler macht nicht der Naturalist, der alles nach der Natur malt”, sagte einmal Max Liebermann, “Nur das, was seine Phantasie aus der Natur heraus sieht und darstellt, macht den Künstler, und daher muss seine spezifische malerische Phantasie um so stärker sein, je näher er dem sinnlichen Eindruck der Natur kommt, das heißt, je mehr er im eigentlichen Sinne Maler ist“ Die bildnerischen Werke in diesem Katalog belegen zweifellos, dass Mandy Friedrich die erforderliche malerische Phantasie besitzt um im Liebermannschen Sinne Malerin zu sein.
Jürgen Szajny,Maler & Grafiker, Kulturwissenschaftler, Werdau